DAZ-online 13.08.2024. Wie können sich die Apothekerinnen und Apotheker Gehör bei der Politik verschaffen? Jedenfalls nicht mit dem Konfrontationskurs, den die ABDA derzeit fährt, glaubt der Vorstand des Verbands innovativer Apotheken (via). Statt die Abgeordneten mit ihrer totalen Ablehnung der geplanten Apothekenreform vor den Kopf zu stoßen, sollte die Standesvertretung aus Sicht von via lieber konstruktive Vorschläge erarbeiten, wie sich die Zukunft der Präsenzapotheken gestalten ließe.
Die ABDA steckt in der kommunikativen Krise. Mit ihrer Blockadehaltung zur geplanten Apothekenreform hat sie sich ins Abseits manövriert – innerhalb des Berufsstands erntet sie dafür nicht nur Zustimmung. Unter anderem der Verband innovativer Apotheken (via) will diesen Weg nicht mitgehen. Die oberste Standesvertretung habe es versäumt, zukunftsweisende Lösungen für die Apotheken zu entwickeln und an die politischen Entscheidungsträger*innen zu vermitteln, sagen die via-Vorstände Dr. Ann-Katrin Gräfe-Bub, Arndt Lauterbach, Benedikt Bühler und Ursula Krüger im Gespräch mit der DAZ.
Die ausbleibende Erhöhung der Honorierung sei auch das Ergebnis der ABDA-Politik. Die oberste Standesvertretung gehe fälschlicherweise davon aus, dass sie am „längeren Hebel sitzt“, sagt Lauterbach. Auch die totale Ablehnung des Entwurfs zur Apothekenreform mache dies deutlich. Man müsse auf die Politik zugehen und konstruktive Vorschläge machen, sind sich die via-Vorstände einig. Diese Lücke will der Verband schließen.
Die Haltung und Strategie der ABDA in der aktuellen Debatte zur geplanten Apothekenreform findet via nicht zielführend: „Wir können nicht nachvollziehen, wie man einen Entwurf in Gänze ablehnen kann“, sagt Bühler. Es sei die Aufgabe der Verbände aus dem „schlechten Entwurf“ die „guten Dinge“ herauszuarbeiten und „Dinge, die gar nicht gehen, zu verhindern“.
Licht und Schatten im Reformpaket
Positiv bewertet via die geplante Ausweitung des Impfangebots in Apotheken sowie die erleichterte Eröffnung von Filial- und Zweigapotheken – allerdings nur mit Apotheker*innen, betonen die Vorstände. Die Videozuschaltung könne zwar eine sinnvolle Ergänzung sein – auch Homeoffice-Optionen für die Angestellten seien praktikabel. Allerdings lehnt via die Öffnung und den Betrieb von Apotheken ohne approbiertes Personal ab. Auch von der geplanten Honorarumschichtung vom variablen zum fixen Anteil halten die via-Vorstände wenig. Nur eine deutliche Honorarerhöhung könnte den Apotheken helfen. In seinem aktuellen Fünf-Punkte-Programm fordert der Verband eine Erhöhung des Fixhonorars auf 15 Euro plus 3 Prozent und anschließende Dynamisierung durch Bindung an die Vertragsarztanpassung.
Bühler macht sich besonders für die Prozessoptimierung und Digitalisierung im Gesundheitswesen stark. Da die Apotheken schon lange auf eine angemessene Erhöhung ihre Honorare warten – und wohl auch weiter warten müssen –, sieht Bühler einen wichtigen Ansatz darin, Kosten zu sparen. Eine große Chance dafür sei die Direktabrechnung mit den Krankenkassen. Über Serviceanbieter wie Scanacs könnten Rezepte in Echtzeit abgerechnet werden. Das gehe nicht nur deutlich schneller als über die Abrechnungszentren, es sei auch kostengünstiger. Die ABDA halte an den Abrechnungszentren fest, da diese standeseigen betrieben werden und man hier kräftig mitverdiene, kritisierte Bühler. Innovation werde dadurch behindert. Durch die Direktabrechnung könnten Apotheken Abrechnungskosten senken, Zeit und Bürokratie einsparen und zudem ihre Liquidität erhöhen.
Viele Krankenkassen hätten bereits Bereitschaft signalisiert, auf Retaxierungen zu verzichten, wenn die Apotheken direkt abrechen, hebt Lauterbach hervor. Mit Blick auf die erwartete Kosten- und Prozessoptimierung durch die Direktabrechnung weist Bühler darauf hin, dass es wichtig sei, dass die Kommunikation über KIM schnellstmöglich zum verpflichtenden Standard wird.
Inkasso-Leistung bei Zuzahlungen und Herstellerrabatte
via findet es nicht hinnehmbar, dass Apotheken „auf den Kosten sitzen bleiben“, wenn Arzneimittelhersteller Pleite gehen. Der Verein fordert eine gesonderte Vergütung für die Übernahme von Herstellerrisiken. Diese soll sich an der Höhe der Herstellerrabatte ausrichten.
Auch bei den Zuzahlungen der Patient*innen erbringen die Apotheken Inkasso-Leistungen, die nicht vergütet werden. In seinem aktuellen Programm fordert via deshalb eine zusätzliche Vergütung in Höhe von 20 Prozent der Inkasso-Zuzahlung an die GKV, mindestens ein Euro pro Packung. Bei einem entstehenden Mehraufwand durch Nichtlieferbarkeit sollen zudem 15 Euro pro Packung von den Apotheken in Rechnung gestellt werden können.
Von anderen Ländern lernen
Auf der Suche nach innovativen Ideen für die Apotheken blickt via auch in andere Länder. So bieten etwa „Minikliniken“ in der Schweiz bestimmte medizinische Dienstleistungen an, beispielsweise Vollblutuntersuchungen. Auch für die Apotheken hierzulande wäre das eine sinnvolle Erweiterung ihres Leistungsangebots, sagt Lauterbach.
Auch Ann-Katrin Gräfe-Bub hält es für wichtig, von den Erfahrungen anderer Länder zu lernen. Sie verweist auf die COPD-Früherkennung in australischen Apotheken. Auch wenn klar sei, dass die Erweiterungen des Dienstleistungsangebots nicht für alle Apotheken gleichermaßen geeignet sind, müssten alle Apotheker*innen nach neuen Wegen suchen. „Niemand wird zum Mitmachen gezwungen – aber der Berufsstand als solcher profiliert.“ Innovative Ansätze seien nicht nur für die finanziell gutgestellten Apotheken attraktiv. „Wir machen keine Politik für Ertragsklassen“, betont Gräfe-Bub, „sondern für den gesamten Berufsstand.“
Konstruktive Lösungen anbieten
An den zahlreichen Protesten des vergangenen Jahres hatte sich via beteiligt. Unter dem Motto „Das Maß ist voll“ hatte der Verein den Protestaufruf der ABDA zum 14. Juni unterstützt, um die Geschlossenheit der Apothekerschaft zu demonstrieren,. Jedoch gab es schon damals Bedenken, sagte die Vorstandsvorsitzende Gräfe-Bub auf Nachfrage der DAZ. „Unsere Sorge bestand darin, dass eine konfrontative Haltung langfristig nicht zielführend ist und wichtige Dialoge erschwert.“
Die aktuelle Entwicklung habe diese Befürchtung bestätigt: „Anstatt den Protest konsequent fortzuführen, wurde nun eine Kehrtwende vollzogen. Vor dem Hintergrund der anhaltend ablehnenden Haltung der Politik wäre es aus unserer Sicht zielführender gewesen, bereits damals den Fokus auf Dialog statt auf Konfrontation zu legen“, so Gräfe-Bub. „Hätten wir gewusst, dass die Linie nicht konsequent durchgezogen wird, hätten wir den Protest nicht unterstützt, sondern von Beginn an für weitere Gespräche plädiert, um so eine konstruktive Lösung zu finden.”
Um die eigenen standespolitischen Ziele zu erreichen, sei man gegenwärtig „mit allen demokratischen Parteien im Dialog “, sagt Bühler – im Gegensatz zur ABDA, die mit ihrer totalen Ablehnungshaltung keine konstruktiven Impulse bei den politischen Entscheider*innen setzen könne. Andere Apotheken-Verbände „formulierten schon mal unglücklich“ , sagt Bühler, der bei der Verbändeanhörung zur Apothekenreform in Berlin anwesend war. Via verfolge eine andere Strategie: „Wir müssen mit der Politik arbeiten, nicht gegen sie.“
Michael Zantke, Redakteur, DAZ-online